Thiago Bortolozzo hat im Ausgangsseminar „Sprechen und Schreiben“, die Predigt alsgesprochenen Ausdruck des Ortes Kirche gewählt und umgebungsabhängig interpretiert. Anstelle einer im Kirchenraum gesprochenen Predigt sprach Bortolozzo einen Text Rainer Maria Rilkes, so deutete die Ortsakustik der Kirche die geschriebene Rede „Briefe an einen jungen Dichter“ als Predigt umdeutet. In die Umgebung einer Kunsthochschule verlegt erfährt die Arbeit eine neue Deutungsdimension. Bortolozzo gelingt dadurch auch die Ähnlichkeiten von Kunst und Kirche, von Künstlern und Klerikalen zu beleuchten. Kontextswitches von der Kirche in die Kunst – und umgekehrt – ermöglichen es denselben Gegenstand neu zu lesen.
Text von Rainer Maria Rilke in, Briefe an einer junger Dichter
Sie fragen, ob Ihre Kunstwerke gut sind. Sie fragen mich. Sie haben vorher andere gefragt. Sie senden sie an Galerien. Sie vergleichen sie mit anderen Kunstwerke, und Sie beunruhigen sich, wenn gewisse Galeristen Ihre Versuche ablehnen. Nun (da Sie mir gestattet haben, Ihnen zu raten) bitte ich Sie, das alles aufzugeben. Sie sehen nach außen, und das vor allem dürften Sie jetzt nicht tun. Niemand kann Ihnen raten und helfen, niemand. Es gibt nur ein einziges Mittel. Gehen Sie in sich. Erforschen Sie den Grund, der Sie kunst macht; prüfen Sie, ob er in der tiefsten Stelle Ihres Herzens seine Wurzeln ausstreckt, gestehen Sie sich ein, ob Sie sterben müßten, wenn es Ihnen versagt würde zu schaffen. Dieses vor allem: fragen Sie sich in der stillsten Stunde Ihrer Nacht: muß ich Kunst machen? Graben Sie in sich nach einer tiefen Antwort. Und wenn diese zustimmend lauten sollte, wenn Sie mit einem starken und einfachen – Ich muß` dieser ernsten Frage begegnen dürfen, dann bauen Sie Ihr Leben nach dieser Notwendigkeit; Ihr Leben bis hinein in seine gleichgültigste und geringste Stunde muß ein Zeichen und Zeugnis werden diesem Drange. Dann nähern Sie sich der Natur. Dann versuchen Sie, wie ein erster Mensch, zu sagen, was Sie sehen und erleben und lieben und verlieren.
Wenn Ihr Alltag Ihnen arm scheint, klagen Sie ihn nicht an; klagen Sie sich an, sagen Sie sich, daß Sie nicht Künstler genug sind, seine Reichtümer zu rufen; denn für den Schaffenden gibt es keine Armut und keinen armen, gleichgültigen Ort.
aaahhh, to gostando, já esquecí esse texto, leí na escola!